Starke Heimat: über Effekte von Brüssel bis zum Altenburger Land; Stand 21. Juli 2020

Der EU Sondergipfel brachte einen Kompromiss. Mehr als 1,8 Billionen Euro sind durch die 27 EU Staats- und Regierungschefs verhandelt. Davon 1074 Milliarden Euro für die kommenden sieben EU Haushaltsjahre und weitere 750 Milliarden Euro als Corona-Hilfsprogramm. Und wenngleich die Corona-Konjunkturgeschenke „nur“ 390 Milliarden Euro ausmachen, während weitere 360 Milliarden Euro als Corona-Kredite an EU Mitgliedstaaten fließen sollen, war dieser Deal sehr teuer erkauft. Denn im Gegenzug werden die sogenannten „sparsamen Vier“ (Österreich, Niederlande, Dänemark und Schweden) bei ihren zukünftigen Zahlungen an die EU gegenüber den anderen Mitgliedstaaten deutlich entlastet. Die ebenfalls beschworene Rechtsstaatsklausel, insbesondere auf Ungarn und Polen gerichtet, trägt schon mit Abschluss der Verhandlungen den Beinamen „Kompromissformel“. Nun könnte man dem politischen Tandem Merkel-Macron trotzdem auf die Schultern klopfen und Glückwünsche aussprechen. Aber Sieger sehen anders aus. Gute Verhandlungserfolge sehen anders aus. Denn durchgesetzt haben sich die Sturköpfe. Die „sparsamen Vier“ sparen weiter, auch zur erheblichen Mehrbelastung der deutschen Steuerzahler. Duda und Orbán haben ihre umstrittene Politik gegen weitere Kritik aus Brüssel geschützt.

Doch gibt es auch Positives zu berichten. So können mit dem finanzstarken Corona-Konjunkturprogramm der „EU Green Deal“, die Digitalisierung und weitere gute Projekte gefördert werden. Stimmt das vorerst noch skeptisch argumentierende EU Parlament sowohl Haushalt als auch Corona-Konjunkturprogramm zu, kann daraus tatsächlich eine Chance der Europäer für mehr globale Wettbewerbsfähigkeit erwachsen. Nur sollten EU Kommission wie auch die Regierungen der EU Länder uns Bürger/innen glaubhaft einbeziehen. Das Schlüsselwort heißt DEMOKRATIE und verlangt die Wahrung der Mitbestimmungsrechte von uns Wählern/innen. Bisher geschah zu viel im Hinterzimmer (Wahl der EU Kommissionspräsidentin) bzw. zu viel entgegen einem gänzlich anders wahrnehmbaren Mehrheitsinteresse der Bevölkerung (EU Sanktionen gegen Russland).

Gleiches gilt für Bundes- und Landespolitik, welche mit ihrer Umsetzung von Wirtschafts-, Sozial-, Migrations-, Sicherheits-, Gesundheitspolitik etc. oft am Mehrheitswillen der Bevölkerung vorbeizielt. Die damit verbundene fortschreitende Erosion unserer Gesellschaft ist augenscheinlich – Altersarmut nach langer Erwerbstätigkeit; sinkendes Bildungsniveau in sozialen Problembereichen; sinnlos zerstörerische Gewalt, überproportional durch Menschen mit Migrationshintergrund; staatsablehnende Handlungen von links, rechts und religiösen Fanatikern. Hier darf die Politik bei allem gut gemeinten Vorpreschen im Sinne eines starken Europas/ einer global wettbewerbsfähigen EU die eigene Bevölkerung nicht zurücklassen. Hier muss die Bundes- und Landespolitik einige unschöne Wahrheiten aushalten und sich diesen stellen, statt zu versuchen diese wegzureden oder durch Denk-und Sprechverbote zu unterdrücken. Wer aber meint, dass Energiewende, EU Gemeinschaftshaftung, Migrationspolitik, Gesundheitsversorgung … ohne angemessene Beteiligung der eigenen Bevölkerung funktionieren, der hat Demokratie nicht verstanden. Wer in Berlin, Erfurt und anderswo glaubt, am klar verständlichen Willen der eigenen Wähler/innen vorbei entscheiden zu können, der stellt sehr unklug andere Interessen als die des eigenen Volkes voran.

Auch Kommunalpolitiker besitzen umfassende Informationspflichten und sollen die Menschen noch besser bei Entscheidungen einbeziehen. Daran muss mitunter erinnert werden. Zudem erweist sich kommunale Verwaltungsarbeit dann als ineffektiv, wenn diese durch politisch-ideologische Mandatsträger für deren Klassenkampfstrategien missbraucht wird. Gerade das Altenburger Land hat enorme Herausforderungen zu meistern, unter welchen der stete Versuch des Bildungsministeriums zur Zerstörung/ Fragmentierung der schulischen/ berufsschulischen Bildungslandschaft aktuell nur das prominenteste ist. Daneben gilt es jedoch den Landkreis besser in das Schienen und Straßen basierte Verkehrsnetz einzubinden. Grüne Mobilität in vernünftigem Schritttempo umzusetzen. Die Energiewende wirklich umwelt- und klimafreundlich zu gestalten, was keineswegs allein mit Windenergieanlagen gelingt; Stichwortgeber wären zahlreich existierende Biogasanlagen im Landkreis. Die Bewältigung von erheblich administrativem Aufwand und viel Überzeugungsarbeit bei den Bürgern/innen, dass die notwendige digitale Infrastruktur mit 5G aufgebaut wird. Das Bewahren unseres historischen Erbes und unseres immensen kulturellen Reichtums, welches nur mit Unterstützung aus Bund und Land gelingen kann. Den Standort Altenburger Land überregional als Lebens- und Arbeitsraum bewerben, um die Demographiekurve wieder ins Positive zu verkehren und vieles mehr.

Leider existiert für den Landkreis kein gesamtheitliches und über etliche Jahre vorausschauendes Entwicklungskonzept. Dieses zu erstellen wäre wichtige Hausaufgabe der letzten Führung im Landratsamt gewesen und wurde nicht erbracht. Seit 2018 gibt es eine neue Verwaltungsspitze im Landkreis. Damit traten einige positive Änderungen ein, ohne dass bisher der große Wurf gelang. Man wünscht sich gerade vom Landratsamt eine mehr erkennbare Innovationsfähigkeit, stärkere Kreativität und insbesondere viel mehr Mut die Geschicke des Landkreises selbst zu bestimmen, statt allein den weiteren Niedergang zu verzögern. Dazu bedarf es eines ganzheitlichen Entwicklungskonzeptes, welches alle Player des Landkreises einbindet – Kommunen, Wirtschaft, Sozialeinrichtungen, Kirchen, Rettungsdienste … Beachtet man das, dann kann auch im Altenburger Land am Ende der Corona-Krise die Chance für eine mehr grüne, mehr digitalisierte und ökonomisch mehr leistungsfähige starke Heimat erwachsen.

Uwe Rückert