LEUCHTTURM – Projektinitiative

Ausgangslage

Bis zur deutschen Wiedervereinigung existierten im Altenburger Raum akademische Ausbildungsgänge, bspw. zur Lehreraus- und -fortbildung. Damit wurden nicht nur Schulabgänger mit Hochschulreife/ Fachhochschulreife für eine akademisch-hochwertige, nachschulische Ausbildung im Altenburger Raum gewonnen, sondern etliche dieser Studierenden blieben auch im späteren Leben beruflich und privat dem Landkreis verbunden. Das wiederum schlug sich demographisch positiv nieder, trug zudem gewinnend zur Arbeitslandschaft und Wertschöpfung bei.

Seit 1990 ist ein rapider Rückgang der Einwohnerzahlen in den mittlerweile fusionierten ehemaligen Altenburger und Schmöllner Kreisgebieten zu verzeichnen. Dazu kommt ein prozentual zu bemessender, kontinuierlicher Anstieg an lebensälteren Mitmenschen, welche umfangreicher auf Pflegeleistungen, aber auch auf gesundheitlich-medizinische Betreuung angewiesen sind. Gleichzeitig damit zeigt sich ein immer mehr wachsender Bedarf an medizinischen und pflegerischen Fachkräften, um den Forderungen nach umfassender Versorgung gerecht zu werden, zumal die heute noch arbeitenden Fachkräfte in Medizin und Pflege oft zeitnah ebenso altersbedingt aus dem aktiven Berufsleben ausscheiden.

Der Landkreis Altenburger Land hat mit dem Klinikum Altenburger Land GmbH eine hervorragende Gesundheitseinrichtung an den Standorten Altenburg und Schmölln in kommunaler Trägerschaft, welche in erheblicher Vielfalt Kliniken und Abteilungen verschiedenster Fachrichtungen unterhält. Damit ist das Klinikum im Altenburger Land erster Anlaufpunkt zur Gesundheitserhaltung/ -wiederherstellung.

Darüber hinaus genießt das Klinikum auch überregional einen ausgezeichneten Ruf. So ist es u.a. akademisches Lehrkrankenhaus für das Universitätsklinikum Jena, wie auch für die Leipziger Universität. Als Durchführungsstätte für Famulatur und Praktischem Jahr, ist es damit direkt in hochwertige akademische Ausbildung einbezogen. In Zusammenarbeit mit dem Innova Sozialwerk e.V. können zudem Ausbildungsberufe in Medizin und Pflege für berufliche Neu- oder Quereinsteiger angeboten werden.

Bewertung

Im Landkreis Altenburger Land besteht ein steigender Bedarf an pflegerischen und medizinischen Fachkräften aller Qualifikationshöhen und mannigfaltiger Fachrichtungen. Im Bereich der medizinischen und pflegerischen Ausbildungsberufe wird dieser Bedarf in Zusammenarbeit von berufsausbildenden Einrichtungen, Klinikum Altenburger Land GmbH und weiteren Einrichtungen des Gesundheitswesens bestmöglich gedeckt.

Bei insgesamt abnehmenden Studentenzahlen an den Universitäten der neuen Bundesländer, bildet der Universitätsstandort Leipzig eine Ausnahme mit gegenteiligem Trend. Zudem ist anzunehmen, dass die Studiengänge der medizinischen Fakultäten der Universitäten Jena und Leipzig ungebrochen ausgelastet sind. Bei bestehenden Kapazitätsobergrenzen und NC Festlegungen, ist eine abschließende Bewertung, ob mit den erfolgreichen Absolventen der medizinischen Studiengänge auch eine bedarfsgerechte Nachbesetzung vakanter bzw. absehbar vakant werdender Arztstellen im Altenburger Raum erfolgt/ erfolgen wird. Insbesondere im ländlichen Raum und bei der Nachfolgeregelung für verschiedene Arztpraxen ist ein Mangel an erkennbar.

Diese Versorgungslücken adäquat aufzufüllen, muss ein vorrangiges Ziel kommunaler Verantwortlichkeit sein. Dazu sollte von Seiten der Landratsverwaltung gemeinsam mit den potentiellen Trägern geeigneter Ausbildung, möglichen Trägern der Ausbildungsfinanzierung, sowie den Kommunen, welche zusätzlich infrastrukturell unterstützen können, ein Realisierungskonzept erarbeitet werden. Ein solches sollte zuerst im Rahmen der Fachausschussarbeit des Kreistages vorgeplant, sowie mit Unterstützung der einzelnen Fachbereiche des Landratsamtes feinausgeplant werden.

Empfohlenes Ziel ist die Etablierung unterschiedlicher Dualer Ausbildungen mit angestrebtem niederstufigen Akademieabschluss Bachelor. Damit würde zugleich eine im Altenburger Landkreis bestehende Lücke in der nachschulischen medizinischen und pflegerischen Ausbildung geschlossen, da die Kluft zwischen universitärem Studium (Arzt) und Ausbildungsberuf (medizinischer Fachangestellter/ Pfleger) ausgefüllt würde. Zudem bieten derartige Duale Ausbildungen, neben der hochwertigen beruflichen Qualifizierung von geeigneten Neueinsteigern, auch attraktive Aufstiegschancen für Krankenpfleger, medizinische Fachangestellte und weiteren ähnlichen Berufsbildern.

Vorgeschlagene Duale Ausbildungsgänge zur Etablierung im Landkreis Altenburger Land:

1) Physician Assistant

2) angewandte Gesundheits- und Pflegewissenschaften (Gesundheitsmanagement)

3) erweiterte Anästhesie-, Intensiv- und Notfallpflege (Advanced Nursing Practise)

4) Hebammenkunde (Midwifery)

beispielhaft zu 1) Physician Assistant:

Der Physician Assistant ist bereits seit etlichen Jahren im Anglo-Amerikanischen Raum anerkannter Bachelor-Studiengang und wird seit relativ kurzer Zeit auch in Deutschland angeboten. Er befähigt den Absolventen zu routinemäßigen medizinischen Behandlungen, zur Ausstellung von Rezepten, zur Medikamentengabe, zur Patientenüberweisung u.w.m. Dabei ist es gesetzliche Auflage, dass ein Physician Assistant mit seiner Arbeit einer ärztlich-fachlichen Kontrolle unterliegt. Diese ärztliche Kontrolle, bei entsprechender und rechtlich einwandfrei verbindlicher Auslegung, kann auch sehr weiträumig und in größeren Zeitabständen erfolgen. Allerdings sollte ein Arzt für den Physician Assistant während dessen medizinischer Tätigkeit als Ansprechpartner immer erreichbar sein.

In den USA war man, ähnlich unserer eigenen aktuellen Situation, bspw. konfrontiert mit einem „Aussterben“ der Landärzte. Dort hat man heute vielfach Physician Assistants eingesetzt, welche die medizinische Versorgung der Bevölkerung wahrnehmen – ein Konzept, welches sich vollumfänglich bewährt.

Für den Landkreis Altenburger Land könnte dies bedeuten, dass Physician Assistants zukünftig die approbierten Mediziner in den Kliniken und Praxen direkt vor Ort unterstützen. Dabei können sie legal dort eingesetzt werden, wo heute vielfach Medizinische Fachangestellte und Pflegekräfte Tätigkeiten mit hohem fachlichen Anforderungsprofil in einer „Grauzone“ ausführen, sei es bei der Medikamentengabe, dem Narkosespritzen oder selbst bei einfacheren Behandlungen – alles der chronischen Überlastung der Ärzte geschuldet. Es würde somit den Ärzten und deren angestellten Physician Assistants einerseits die rechtlich-belastbare Grundlage für derartige Zusammenarbeit bieten. Andererseits eine rein quantitativ bessere Patientenversorgung ermöglichen, sowie das einwandfreie Abrechnen medizinischer Leistungen gegenüber den Krankenkassen einfacher machen. Das zudem die Mitarbeiter der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgungseinrichtungen mit der Ausbildung zum Physician Assitant eine berufliche Förderung erfahren, mehr Verantwortung tragen dürfen und folglich auch bessere Verdienstmöglichkeiten erfahren, ist ein weiteres fürsprechendes Argument.

Der sicher größte Gewinn für den Landkreis sollte jedoch in der flächendeckenden medizinischen Versorgungsmöglichkeit liegen, auch und gerade in den dünn besiedelten, ländlichen Räumen. Hier kann geprüft werden, wer rechtlich und hinsichtlich verfügbarer Kapazitäten tatsächlich befähigt wäre, als aufsichtführende(r) Arzt/ Ärzte ein mögliches Netz von Physician Assistants fachlich zu führen.

Ad hoc vorstellbar wäre, dass dieses im Landkreis dem Leiter des Fachdienstes Gesundheit und Amtsarzt zufällt, welcher damit ggf. selbst eine Höherdotierung erfahren sollte, bzw. weitere Ärzte/ Physician Assistants im Rahmen seiner erweiterten Verantwortlichkeiten zugeordnet bekommen sollte. Die ihm fachlich unterstellten Physician Assistants wären dann mobil oder stationär in entsprechenden Praxen so in der Fläche verteilt, dass alle Bürger einen Zugang zu medizinischer Grundversorgung haben. Es wäre aber auch vorstellbar, dass eine solche Organisation durch einen anderen Träger, bspw. dem Klinikum Altenburger Land GmbH, aufgebaut und geführt wird.

Weiter positiv anzumerken ist, dass sich die Bundesärztekammer gemeinsam mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung darüber einig ist, dass dieser Studiengang bundesweit etabliert werden sollte. Gleichzeitig wird auch hingewiesen, dass eine bundeseinheitliche Duale Ausbildung für das Berufsbild Physician Assistant zwingend erforderlich ist, damit überall gleiche, sehr hohe Standards gewährleistet sind. Zudem wird der einmal erworbene Bachelorabschluss in jedem Bundesland uneingeschränkt anerkannt. – Ein kleiner aber wichtiger Schritt gegen den oft unleidigen deutschen Bildungsföderalismus.

Dossier Bundesärztekammer zum Berufsbild „Physician Assistant“: https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/pdf-Ordner/Fachberufe/Physician_Assistant.pdf 

Kurzausführung zu 2), 3) und 4) Duale Ausbildungen:

Angewandte Gesundheits- und Pflegewissenschaften wäre die klassische Höherqualifikation für das Berufsbild des Gesundheits- und Krankenpflegers, sowie des heute immer mehr mit dem medizinischen Berufsbild verschmelzenden Altenpfleger. Auch hier würden die mit niederstufigem akademischem Abschluss erreichten Kompetenzen zu erheblicher Entlastung im Gesundheitswesen insgesamt führen. Absolventen dürften m. E. Spritzen, Diätkost verabreichen, Pflege- und Gesundheitskonzepte selbstständig erarbeiten und umsetzen, aber auch im Gesundheitsmanagement, bei Kalkulationen oder sonstig verantwortlichen administrativen Arbeiten die Leitung von Pflege- und Gesundheitseinrichtungen enorm unterstützen.

Erweiterte Anästhesie-, Intensiv- und Notfallpflege ist eine dringend benötigte Qualifizierung in einem dauerhaft unterbesetzten Bereich. Es ist heute gängige Praxis, dass bspw. ein Anästhesist parallel für mehrere Operationssäle verantwortlich ist. Natürlich kann dieser Mediziner sich nicht zweiteilen, weshalb es ebenso gängige Praxis ist, dass oft berufserfahrene anästhesietechnische Assistenten die Narkose im Operationssaal übernehmen. Das wird zwar medizinisch-fachlich ganz überwiegend genauso gut gemacht, als wenn es der Anästhesist selbst durchführen würde, bleibt aber rechtlich bedenklich/ in der Grauzone. Dazu gibt es zahlreiche Tätigkeiten mehr, welche in den Bereichen der Intensiv- und Notfallpflege hohe Eigenverantwortlichkeit erfordern. Deshalb ist die Ausplanung dieses Ausbildungsganges zweckmäßig und geeignet einen bestehend hohen Bedarf zu decken.

Die Hebammenausbildung soll nach Informationen des Bundesgesundheitsministeriums (BMin Spahn in 10/2018) zukünftig nur noch als Studium angeboten werden, damit den vormaligen Ausbildungsberuf zur Hebamme gänzlich ablösen. Diese Ausbildungsanpassung zum Studiengang ist eine Auflage, erwachsen aus einer diesbezüglichen EU Richtlinie. Auch in diesem Berufsfeld verzeichnet der Landkreis Altenburger Land schon länger einen Bedarf, welcher durch ein entsprechendes Studienangebot vor Ort zukünftig wahrscheinlich besser zu decken wäre.

Realisierungsmöglichkeiten

Ohne bisherige fachliche Gegenprüfung durch medizinische, pflegerische und betriebswirtschaftliche Experten, ist es nur eine erste Vorstellung, wie man das Projekt ggf. realisieren könnte. Im Rahmen einer ersten Feststellung, wo z. Bsp. die Duale Ausbildung zum Physician Assistant bereits angeboten wird, können folgende, nicht umfänglich verifizierte Ergebnisse geteilt werden:

In Thüringen wird eine derartige Ausbildung aktuell überhaupt nicht durchgeführt, bzw. habe ich diese nirgendwo finden können. Räumlich nächster Anbieter wäre die staatlich anerkannte, in privater Trägerschaft befindliche SRH Gesundheitshochschule am Standort Gera. Allerdings ist der Studien-/ Ausbildungsort für eingeschriebene Studenten die Stadt Leverkusen, verbunden mit einer vergleichsweise hohen finanziellen Eigenbeteiligung an Studiengebühren/ Lebenshaltungskosten etc. Auch die Hochschule Merseburg (Sachsen-Anhalt) bietet wohl Duale Ausbildung in einzelnen medizinisch-pflegerischen Fachgebieten an, wobei der Schwerpunkt von Lehre und Forschung klar in anderen Bereichen liegt.

Herausragend positiv stellt sich die Sächsische Berufsakademie dar, welche am Standort Plauen die Bachelor Studiengänge zum Physician Assistant sowie im Gesundheitsmanagement bereits erfolgreich durchführt. Dazu hat sie einige, auch regional abgesetzte, Kooperationspartner zur Durchführung der praktischen Ausbildungsanteile, bspw. das Helios Klinikum in Leipzig. Hier besteht bereits ein Kontakt zur Leiterin und Lehrstuhlinhaberin des Studiengangs Physician Assistant, welche eine sehr positive Resonanz zeigte und gern unterstützt. Wie zu verstehen war, ist die Sächsische Berufsakademie auch flexibel, um über die eigenen Landesgrenzen hinaus – vorausgesetzt notwendige Bedingungen sind erfüllt – Duale Ausbildung anzubieten.

Natürlich erfordern ernsthafte Realisierungsbemühungen eines derart großen Projektes auch einen hohen Einsatz an personellen, materiellen und finanziellen Ressourcen. Gerade die Bildungsfinanzierung ist schwierig, da nicht unmittelbar mit geldwertem Gewinn verknüpfbar. Hier habe ich erkannt, dass die Plauener Sparkassenstiftung bspw. den Unterhalt des Prof. Lehrstuhls für den Studiengang Physician Assistant mit unterstützt. Auch die Sparkasse Altenburger Land unterhält eine Stiftung „Kultur, Wissenschaft, Umwelt, Sport und Soziales“, welche m. E. bisher aber keine derartigen Unterstützungen im nachschulischen Bildungsbereich leistet. Das jedoch wäre aus meiner Sicht grundsätzlich vorstellbar, zumindest als Anschubfinanzierung, bis der/die Studiengang/Studiengänge fest etabliert sind und langfristige Betreiber-/Wirtschaftsmodelle gefunden sind.

Soweit alles nur Ideen, welche dennoch „Herzensangelegenheiten“ sind und unseren Landkreis vielfältig stärken können. Allein die Möglichkeit, dass gerade junge Leute von außen zum Studium in den Landkreis kommen, diesen mit erfolgreichem Studienabschluss aber nicht unbedingt wieder verlassen und vielmehr ihren dauerhaften Wohn- sowie Arbeitsort bei uns finden, ist eine gute.

Auch haben wir, um nur an den beiden Standorten unseres Klinikums zu bleiben, allein in Altenburg und Schmölln reichlich ungenutzte, dabei hinsichtlich Lage, Raumgliederung etc. geeignete (Alt)Bausubstanz. Solche könnte bei einem derartigen Projekt ggf. wieder „reaktiviert“ und saniert werden, vielleicht sogar mit starker Förderung durch Bund und Freistaat. Fraktionsintern sind unsere beiden stimmberechtigen Mitglieder des Ausschusses für Soziales und Gesundheit, Bernd Oehler und Thomas Senftleben, im Thema federführend. In Abstimmung mit den weiteren Fraktionen möchten wir entsprechende Anträge stellen und dabei auch das Klinikum Altenburger Land, die Städte Altenburg und Schmölln, sowie weitere Institutionen einbeziehen.

Das Ziel einer verlässlich flächendeckenden medizinischen und pflegerischen Versorgung im Altenburger Land ist enorm wichtig und sollte unbedingt außerhalb jeder parteipolitischen Konkurrenz bearbeitet werden. Wir hoffen deshalb, dass alle Fraktionen des Kreistages gleichermaßen die Wichtigkeit erkennen und offen konstruktiv mitarbeiten werden.

Uwe Rückert